Gastbeitrag: Tagesmutter – das unbekannte Wesen

Diesen Artikel hat Clara für Herzohr geschrieben. Clara ist eine Freundin die ich beim Schwangerschaftsyoga letzten Sommer kennen lernte. Unsere (noch!) Babys sind sozusagen gleich alt und mir persönlich tut der Kontakt zu Müttern mit gleichaltrigen Kindern sehr gut. Man kann viele Erfahrungen einfach teilen, natürlich muss die Wellenlänge dabei stimmen. Eine Tagesmuttersuche stand bei uns zwar nie an, aber ich hab mit ihr und ihrer jungen Familie mitgefiebert und bin sehr froh, dass nun auch meine lieben Herzohrleser teilhaben dürfen. Vielen Dank für deinen Beitrag und deine tolle Unterstützung, liebe Clara!

Unser Sohn Joschi wird im Sommer 1 Jahr. Und da ich wieder arbeiten möchte, fassen wir einen Entschluss: eine persönliche, familienähnliche Betreuung durch eine Tagesmutter zu suchen. Damit wenden wir uns an eine Fachberatungsstelle, die diese Plätze vermitteln. 

Während mein Mann sehr damit hadert, einer fremden Frau unseren Sohn anzuvertrauen, bin ich irgendwie ungewöhnlich guter Dinge, dass wir sicher einer Tagesmutter begegnen, die warmherzig daherkommt und der wir die Betreuung zutrauen. Dass sich dieses Vertrauen noch drehen wird,  ahne ich da noch nicht.

Nach 10 Gesprächen bzw. Terminen, die sich meist wie ein gegenseitiges Vorstellungsgespräch anfühlen, sind wir ernüchtert und dann auch irgendwann verzweifelt. Nun sind es nur noch 3 1/2 Monate bis wir den Betreuungsplatz endgültig brauchen. Parallel zu diesem Zeitdruck aber auch gleichzeitig Zweifel, ob wir unseren Sohn mit einem Jahr wirklich fremd betreuen lassen wollen. Er ist doch noch zu klein, bisher nie ohne einen von uns gewesen, bisher nicht wirklich mobil und sich ausdrücken wird er mit einem Jahr auch nicht können. Angst, was tun wir ihm an, dem kleinen Wesen. Was einen da für Gefühle übermannen! So ist also Elternsein…

Auf der Suche nach Tagesmüttern (oder gern auch einem Tagesvater!) begegnet man so vielen Persönlichkeiten wie der Regenbogen Farben hat. Leute mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und aus ganz anderen Bereichen, die ihre BWLer-Laufbahn aufgeben zugunsten der vermeintlich soviel mehr sinnstiftenden Arbeit mit Kindern, welches sich aber für uns nicht aus vollem Herzen vorgetragen anfühlt. Liegt es an mir, dass ich aus den Gesprächen immer herausgehe mir einen großen „Ja, aber…“? Kann man bei sowas wie der U3-Betreuung seines Kindes Kompromisse machen? Es riecht nach kaltem Rauch! Die Tagesmutter ist körperlich sehr immobil und es ist uns ein Rätsel, wie sie hinter auch nur einem Kind herhechten will! Eine andere hat selbst noch einen Säugling zusätzlich zu versorgen! Eine weitere enthält uns vor, dass sie einen Hund hat! Dies sind nur ein paar Beispiele. Bei denen, deren Räumlichkeiten und Rahmenbedingungen perfekt erscheinen, fallen im Gespräch Bemerkungen über „dicke Tageskinder, mit denen keiner spielen will“ oder „Kerzen, die man doch wohl mal anmachen dürfe, damit die Kinder (wohlgemerkt zwischen 0-3!) lernen, verantwortungsvoll mit Feuer umzugehen“. Wir bleiben ratlos zurück. Aber das Gute: wir wissen nun, was wir nicht wollen und können die richtigen Fragen stellen.

Man lernt aber auch sich selbst ganz neu kennen.

Die Bewerbungssituation veranlasst mich Dinge zutun, die ich sonst unter „Einschleimen“ verbuchen und damit missachten würde. Ich bastele einen Steckbrief über unsere Familie, lasse mich auf ellenlangen Smalltalk ein, obwohl das Kind auf dem Arm schreit und ich vor Hunger bald aus den Latschen kippe, ich belästige Leute mit Anrufen, E-Mails, SMS oder WhatsApp, um mich in Erinnerung zu rufen und bloß einen Platz zu bekommen. Es ist ganz unterschiedlich: Plätze sind rar, viele Tagesmütter mit Wartelisten belegt, bei anderen könnten wir einen Platz bekommen, wenn nur unsere „Abers“ nicht wären.

Heute haben wir den 11. Termin. Ich erwarte nichts, weiß auch noch nicht viel über die Tagesmutter, weil ich es müde war, schon am Telefon Dinge abzufragen. Es öffnet sich die Parterrewohnung in einem Wohnblock, bei dem ich nicht auf die Idee gekommen wäre, dass das der richtige Ort für Kinderbetreuung ist. Eine freundliche, unaufgeregte sympathische Frau begrüßt uns und führt uns in Räumlichkeiten, die fröhlich-bunt belebt sind, sauber wirken, es hängen Kunstwerke kleiner Hände an den Wänden. Als die Tagesmutter während des wirklich uns aus der Seele sprechenden Gesprächs einmal aus dem Raum geht, um sich um ein Anliegen eines Kindes zu kümmern, schauen wir uns an und flüstern beide ungläubig „Es gibt kein Aber…?!“  Wir haben zwei Tage später zugesagt (Tipp! Nicht lange zögern, wenn man sicher ist, sonst ist der Platz schnell belegt) und freuen uns nun sehr, dass Joschi ein herzliches, anregendes Umfeld zur Tagespflege haben wird. Wir konnten endlich auf unser Herz hören. Und man weiß eigentlich genau, wenn das Herz sagt „ja“. Dass die Suche mehr als drei Monate dauert, hätte mir nur gern jemand sagen können.

In diesem Sinne: Hör auf dein Herz. Alles Liebe, Claudia ❤


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2 Gedanken zu “Gastbeitrag: Tagesmutter – das unbekannte Wesen

    1. Hi Richard, man bietet sich selbst und dem Kind eine Chance. Ja das denke ich auch.
      Wir haben uns ja bewusst dafür entschieden (fast) die ersten drei Jahre selbst bzw durch die Großeltern zu betreuen. Haben aber hierbei, vor allem mit dem ersten Kind darauf geachtet, regelmäßigen Kontakt zu anderen Kindern zu suchen. Nicht nur um soziale Kompetenz zu erwerben sondern einfach weil’s den Kindern offensichtlich gefällt und wir Erwachsenen dadurch Kontakt zu anderen Erwachsenen haben konnten. Das darf man auch nicht vernachlässigen. 😉
      Viel mir noch zum gesamten Thema ein, hat jetzt nicht so viel mit deinem Kommentar zu tun 😛 Aber danke dafür und weiterhin eine gute Eingewöhnung!! Alles Liebe, Claudia ❤️

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