Meine langjährige Freundin A., die ich während meiner Ausbildung kennen und lieben lernte und mit der ich mich durch unser Studium kämpfte, wobei das Leben in diesem Kaff der anstrengendste Teil war, erzählte mir kürzlich noch einmal von der Geburt ihrer Nichte.
A. lebt seit einigen Jahren in der Schweiz und wir sehen uns schätzungsweise einmal im Jahr. Dann ist es aber immer sehr schön und intensiv, wenn auch meistens kurz. So war es auch letzte Woche. Wir fanden nur einen drei stündigen Zeitraum um ganz schnell, ganz viel über uns unsere Leben und unsere Gedanken zur Welt auszutauschen. Ich kam mit schlechter Laune zum Restaurant. Es war so ein Tag an dem alles stressig ist und schief läuft und ich hätte fast das Treffen abgesagt, weil ich dachte, dann hätte ich weniger Stress. Aber die Chance sollte so schnell ja nicht wieder kommen. Meine liebe Freundin A. treffen, in einem netten Restaurant essen und Weißwein trinken, besser kann man Stress doch kaum abbauen. (Hab ich schon erzählt, dass ich endlich wieder meinem Lieblingssport, dem Tanzen, nachgehe? Donnerstags nach dem die Kinder zu Abend gegessen haben, fahre ich zu meiner Tanzstunde, mache den Kopf frei und bewege meinen Körper zu Musik. Das tut mir so unendlich gut!)
Also umarme ich sie zur Begrüßung ganz feste, sage direkt, dass ich schlechte Laune habe und prompt geht es mir besser. Wir bestellen unseren Wein, sprechen nicht über meine schlechte Laune, sondern ziemlich schnell über ihren „neuen“ Freund, mit dem sie aber auch schon seit über einem Jahr zusammen ist… wir sehen uns wohl sogar noch seltener… und über das große Ganze in unserer Welt und wie wir versuchen sie ein Stück besser zu machen. Das Gespräch ist einfach schön und bereichernd. Irgendwann kommen wir auf meinen Blog zu sprechen, der ja zur Zeit leider sehr wenig Raum in meinem Leben bekommt (wenn das eine Kind erst um neun schläft und das andere aber um sechs frühstückt fehlt mir dazu einfach die Motivation) und mir fällt ein, dass sie doch auch schon einmal bei einer Geburt dabei war. Nicht als Gebärende sondern als Schwester und werdende Tante. Ich frage sie danach und sie meint, da gäbe es nicht viel zu erzählen und beginnt zu berichten:
Erst dauerte es ewig und dann ging es ganz schnell. Mein Schwager war nicht dabei, er wollte nicht. Er meinte er könne die Schmerzen seiner Frau nicht ertragen. Mein Vater und mein Bruder konnten auch nicht so ganz mit der Situation umgehen, waren also nicht im Kreißsaal, aber mitfiebernd im Krankenhaus. Meine Mutter war mit im Kreißsaal, aber als T. geboren wurde, war sie in der Kantine Essen holen. Sie war auch nicht wirklich eine gute Unterstützung. Sie war nervös, redete meiner Schwester rein, war sauer, dass sie eine PDA wollte, das sei schlecht für das Baby. Die Hebamme hatte ja aber gesagt, dass das dem Baby nicht schade. Ansonsten konnte meine Mutter meiner Schwester nur immer wieder sagen, wie leid es ihr tue, dass sie so Schmerzen habe, anstatt ihr Mut zu zusprechen. Es ist aber auch nicht leicht als Außenstehende! Man kann ja nicht viel machen! Wenn meine Schwester eine Wehe hatte, hielt ich ihre Hand. Zwischendurch bot ich ihr meine Hilfe an, holte ihr zum Beispiel etwas zu trinken. Ansonsten musste ich ja auch lernen und versuchte mich auf den Stoff zu konzentrieren und ruhig zu bleiben. Als es dann plötzlich richtig los ging, herrschte auf einmal eine ganz andere Energie im Raum. Ich konnte gar nicht gehen. Ich hatte im Vorfeld meiner Schwester gesagt, dass ich bei der eigentlichen Geburt lieber nicht dabei sein wolle. Aber jetzt war ja meine Mutter gar nicht da und diese Energie bannte mich. Es war klar dass ich doch bleibe. Meine Schwester drückte meine Hand und ich drückte so fest ich konnte zurück. Ich weiß nicht ob das nicht zu feste war aber irgendwie musste das so sein. Als T. dann raus kam war meine Schwester wie verwandelt: „Mein Kind! Mein Kind!“ sagte sie immer wieder. Das Fluchen und Zweifeln und Quälen war einfach weg. Sie war auf einmal ein ganz anderer Mensch. Das war unglaublich.
Während A. erzählt, kommen mir die Tränen und sie merkt, dass es da ja doch viel zu erzählen gibt. Ich kann ihre Worte hier jetzt natürlich nicht genau wiedergeben, dennoch kommen mir beim Tippen wieder die Tränen. Eine Geburt ist einfach unglaublich. Und ich kann jetzt, nachdem ich selbst Mutter geworden bin und zwei Geburten erlebt habe, viel deutlicher nachempfinden wie das gewesen sein muss. Gerade diese Verwandlung, wenn A.´s Schwester zur Mutter wird empfinde ich als großes Mitglück. Als sie mir damals, während des Studiums, von der gerade erlebten Geburt erzählte, lag meine Neugier darauf wie es war dabei zu sein, da mein Blickwinkel ja noch ein ganz anderer war.
Danke dir, meine liebe A., dass du mir dieses wundervolle Erlebnis noch einmal erzählt hast. Ich finde du hast genau das Richtige gemacht. Du warst ruhig, geduldig und für deine Schwester da. Genau, dass ist das war ein Geburtsbegleiter meiner Meinung nach machen kann. Das ist nicht Nichts! Sondern ganz viel und genau das Richtige!
Und danke dir für diesen schönen, wenn auch kurzen, Abend und deine Freundschaft!
Hör auf dein Herz!
Alles Liebe, Claudia ❤
Wunderbar beschrieben! Beim Lesen packten mich noch mal die Gefühle.
Es ist wahnsinn und vielleicht auch übertrieben, aber obwohl es nicht mein Kind ist, werde ich, glaube ich nie eine einzelne Sekunde von diesem Erlebis vergessen. Ich seh es immer noch sehr genau vor mir.
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Hi Claudia, mal wieder sehr schön geschrieben! Ein schöne Einblick, vielen Dank!
LG, Richard (von vatersohn.blog).
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